Polnische Literatur – Zwischenkriegszeit (Dwudziestolecie międzywojenne): 1918-1939
Mit der 1919 wiedergewonnenen Souverenität Polens fiel die Zensur der ehemaligen Besatzungsmächte im Bereich der Kunst und Literatur. Der junge polnische Staat investierte stark in die Förderung der Kultur und des Bildungswesens, die für ihn ein Wiedererwachen der eigenen Identität bedeutete. Institutionen wie z. B. die Polnische Akademie der Wissenschaften wurden gegründet, es entstanden neue Bildungsstätten, teilweise mit modernen, reformatorischen Erziehungsansätzen, im Zuge der Alphabetisierungswelle wurden Volksschulen in den entlegensten, überwiegend ländlichen Teilen Polens gegründet.

Der frische Geist eröffnete auch den polnischen Künstlern neue Perspektiven. Die als moralische Verpflichtung empfundene Unterordnung des eigenen Schaffens höheren, patriotischen Zielen fand keine Notwendigkeit und somit auch keine Existenzberechtigung mehr. Die Dichter und Schriftsteller konnte sich nun frei entfalten und beliebigen Themen widmen, ohne dass die den Vorwurf mangelnden Verantwortungsbewusstseins gegenüber dem Vaterland fürchten mussten.
Die "helle" und "dunkle" Literaturperiode
In der polnischen Literaturwissenschaft wird die Zwischenkriegszeit (1919–1939) in zwei große literarische Perioden unterteilt. Die erste Phase, die bis ca. 1932 andauerte, wird als die "helle Phase" bezeichnet. Für diesen Zeitabschnitt war eine Euphorie und Freude über das Wiederauferstehen des polnischen Staates charakteristisch. Es herrschte ein Klima voller Hoffnung und Optimismus. Die "dunkle Phase" fiel auf die Zeit von 1932–1939. In dieser Zeit kippte die Stimmung in der polnischen Gesellschaft infolge der großen Wirtschaftskrise, innenpolitischen (Pilsusdki–Putsch) Veränderungen und zunehmender Bedrohung von außen (der sich abzeichnende militärische Konflikt mit Deutschland und der Sowjetunion). Die Literatur der "dunklen Phase" griff zunehmend gesellschaftsrelevante Themen auf, katastrophische Stimmungen machten sich bemerkbar.
In der polnischen Literatur der Zwischenkriegszeit sollte insbesondere die Lyrik hervorgehoben werden, die in jener Zeit eine Explosion in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß erlebte. Zahlreiche neue Strömungen und Dichtergruppen – mit und auch ohne ein ausformuliertes Programm – entstanden. Zu den wichtigsten zählen die Expressionisten, Futuristen, Skamadriten und die Krakauer Avantgarde. (fh)
Polnische Dichter der Zwischenkriegszeit:
- Krzysztof Kamil Baczyński (1921–1944)
- Józef Czechowicz (1903–1939)
- Tadeusz Gajcy (1922–1944)
- Witold Gombrowicz (1904–1969)
- Bolesław Leśmian (ca. 1878–1937)
- Czesław Miłosz (1911–2004)
- Zofia Nałkowska (1884–1954)
- Julian Przyboś (1901–1970)
- Bruno Schulz (1892–1942)
- Leopold Staff (1878–1957)
- Julian Tuwim (1894–1953)
- Kazimierz Wierzyński (1894–1969)
- Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885–1939)
- Stefan Żeromski (1864–1925)