Siemczyno (Heinrichsdorf) - Schloss und Hotel
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Heinrichsdorf (Siemczyno) – Schloss und Hotel

Geschützt vor der sengenden Mittagshitze, nur ca. 300 Meter vom Drawsko-See entfernt, schlürfe ich genussvoll einen leckeren Latte Macchiato auf der schattigen Terrasse eines Hotels in Siemczyno. Vor mir erstreckt sich ein prachtvolles, wenn auch ein sehr verfallenes barockes Schloss. Ich spreche einen Herrn an, der am Nachbartisch sitzt, ob man das Schloss besichtigen könne. „Selbstverständlich“ – lautet die Antwort. Ich habe Glück an diesem Tag, denn der freundliche Herr erweist sich als der Eigentümer des Schlosses. Er heiße Bogdan Andziak  und habe das Schloss zusammen mit seinem Bruder im Jahr 1999 gekauft. Seitdem sei die Familie unermüdlich darum bemüht, das historische Objekt zu retten.

Schloss und Schlosspark in Heinrichsdorf Polen Fotos
Schloss und Schlosspark in Heinrichsdorf. Fotos: Frank Hilbert

Im Jahr 2005 wurde der Heinrichsdorfer Verein („Stowarzyszenie Henrykowskie“) gegründet, dessen Aufgabe es ist, für die Kommunen Siemczyno (Heinrichsdorf) und Czaplinek (Tempelburg)  zu werben. Darüber hinaus soll die Geschichte und Tradition der Region bekannt gemacht – unter aktiver Einbeziehung der hiesigen Bevölkerung. Die in Siemczyno und Umgebung lebenden Menschen sind Nachfahren der nach dem Zweiten Weltkrieg aus den ehemals polnischen Gebieten in Weißrussland, Litauen und der Ukraine vertriebenen und hierher umgesiedelten Polen. Für die meisten bedeutete der Verlust der Heimat einen gravierenden Einschnitt in ihrem Leben. Viele haben den neuen Lebensmittelpunkt selbst nach Jahrzehnten als Fremde empfunden.

Eine Brücke schaffen

Die Auseinandersetzung mit der lokalen Geschichte soll der Integration der Menschen dienen. Es wird versucht, eine Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Lebensläufen der ehemaligen Heinrichsdorfer und den heutigen Einwohner von Siemczyno herzustellen und auf diese Weise eine Brücke zur aktuellen Situation der Region zu schaffen.
Ein besonderes Augenmerk der Vereinsmitglieder richtet sich auf die Förderung der ländlichen Kultur mit ihren Bräuchen, ihrer Küche und dem Leben auf dem Gut und im Schloss. Ein übergeordnetes Ziel des Vereins ist natürlich die Restaurierung und Wiederbelebung des Schlosses und der dazugehörigen Parkanlagen. Dafür ist nicht nur viel Geld nötig, sondern auch jede Menge Know-how bei der Umsetzung des Projekts unter Einhaltung strenger Denkmalschutzauflagen. Der Verein organisiert verschiedene Informationsveranstaltungen, Konferenzen und Festivals (wie z. B. den alljährlich stattfindenden Heinrichsdorfer Tag) und gibt ein regelmäßig erscheinendes Heft („Zeszyty Siemczyńsko-Henrykowskie“) mit interessanten Beiträgen zur lokalen Geschichte heraus.

Mit freundlicher Genehmigung und Ermunterung von Herrn Andziak darf ich das Hotel besichtigen, das im ehemaligen, liebevoll restaurierten Vorwerk des Gutes, das als Getreidespeicher diente, eingerichtet wurde. Es hat viele komfortable, modern ausgestattete Zimmer und mehrere große Konferenzräume. Das Hotel ist sowohl für Individualreisende wie auch für größere Reisegruppen geeignet.

Schule im Schloss

Nach der Besichtigung der pfiffig und zugleich professionell umgebauten alten Stallungen gehe ich zum Schloss hinüber, wo ich von einer jungen Dame in Empfang genommen werde. Von ihr erfahre ich, dass das Schloss das einzige im Umkreis von 200 km ist, das in seiner ursprünglichen Form seit seiner Errichtung unverändert geblieben ist. Drinnen lässt sich die alte Pracht leider nur noch erahnen. Nach Plünderungen, Vernachlässigung und Jahrzehnte langer Zweckentfremdung (u. a. war in dem Gebäude  lange eine Schule untergebracht) sind von der Originaleinrichtung nur noch morsche Treppen und einige alte Kamine übrig geblieben. Von den Wänden blättert der Putz ab, die Dielen sind morsch oder mit Linoleum überklebt, von den Decken hängt Stroh herunter.
Wir steigen zunächst in den ältesten Teil des Schlosses – den Keller –  hinab. Das kunstvolle Kreuzgewölbe lässt vermuten, dass hier ursprünglich keine Waren gelagert wurden, sondern dass die Räume auch bewohnt wurden. Die Tatsache, dass sich der Grund im Laufe der Jahrhunderte um über einen Meter durch Aufschüttungen erhöht hat, scheint die Hypothese, dass die Kellerräume früher im Erdgeschoss lagen und für Wohnzwecke genutzt wurden, ebenfalls zu unterstützen. Wie dem auch sei: Schaurig-schön mutet der Keller im Dunkeln an. Ich bin trotzdem froh, als wir wieder die oberen Stockwerke des Hauses erreichen.

Hotel in Siemczyno
Das restaurierte Vorwerk beherbergt heute ein Hotel.

Labyrinth aus verwinkelten Ecken

Auf direktem Wege erreichen wir über eine versteckte Hintertreppe (Für mich macht das Labyrinth aus  den vielen verwinkelten Ecken, abseitig gelegenen, vergessenen Kammern, Verbindungstreppen und Geheimgängen den besonderen Reiz des imposanten Bauwerks aus.) den Dachboden. Am  barocken Mansarddach mit dem original erhaltenen Dachstuhl schlängelt sich eine interessante, weil an mehreren Stellen abgeknickte Konstruktion eines Kaminabzugs entlang. Diese soll auch heute noch funktionstüchtig sein. Über kleine Dachfenster treffen  Sonnenstrahlen auf den knarrenden Holzfußboden auf. Es ist leer und angenehm still.

Die junge Dame führt mich wieder nach unten durch schier unendlich wirkenden Zimmerfluchten in ein Gemach, in dem der früheren Besitzer des Anwesens gedacht wird. Von den alten, in Sepia getauchten Fotos, die die Wände des Raumes schmücken, schauen preußisch uniformierte Männer, fein gekleidete Damen mit kunstvollen Hochsteckfrisuren und wie Orgelpfeifen aufgestellte Kinder in Matrosenanzügen auf die Besucher herab. Ich erfahre, dass Heinrichsdorf zum ersten Mal 1292 urkundlich erwähnt wurde, als eine der größten pommerschen Adelsfamilien, die Familie von der Goltz, Heinrichsdorf gekauft hat. Im Jahr 1655 überschritten hier die schwedischen Truppen unter der Führung von Feldmarschall Wittenberg die damalige brandenburgisch-polnische Grenze. Es war der Beginn der schwedischen Invasion auf Polen, die als die sog. „Sintflut“ in die polnischen Geschichtsschreibung eingegangen ist. Die Schweden schleppten die Pest ein, die auch die Gegend um Heinrichsdorf entvölkert hat.

Barockschloss mit repräsentativer Ausstattung

Nachdem die Seuche wieder vorbei war, gab Henning Berndt von der Goltz 1722 den Bau eines Schlosses im Barockstil in Auftrag. Nach nur vier Jahren Bauzeit konnte die Familie die neue Residenz beziehen. Das Hauptgebäude hatte den Grundriss eines Hufeisens, eine 35 Meter lange Terrasse, zwei Hochetagen an der Frontseite und drei Geschosse auf der Rückseite. Die 4,5 Meter hohen Räume waren dem Zeitgeschmack entsprechend repräsentativ ausgestattet. Im Laufe der darauffolgenden Jahrhunderte wechseln die Eigentümer. Zeitweise ist das Anwesen im Besitz der Familien von Arnim und von Puttkammer. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarben Hartwig und Mascha von Bredow das Schloss und die umliegenden Ländereien. Sie ließen es grundlegend sanieren, veränderten aber nichts an dessen ursprünglichen Gestalt. Die Familie von Bredows lebte hier bis zum Einmarsch der polnischen und sowjetischen Truppen 1945 in Heinrichsdorf, das zunächst in Henrykowo und zwei Jahre später in Siemczyno umgetauft wurde. Die von Bredow und auch die deutschen Dorfbewohner wurden vertrieben. Viele von ihnen fanden in Lübeck und Umgebung eine neue Heimat. Stellvertretend für seine Familie unterstützt Mathias von Bredow, ein Nachfahre der letzten Schlossbesitzer, heute den jetzigen Eigentümer bei den Bemühungen, Schloss und Anwesen zu retten. Ein in der Mitte des Raums aufgestelltes Modell des Schlosses soll seine Pracht nach Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten visualisieren und bildet zugleich den Abschluss meines Besuchs.

Mit vielen neuen Eindrücken verlasse ich das schöne Anwesen und wünsche Herrn Andziak viel Glück und Ausdauer bei seinem beeindruckenden und bewundernswerten Vorhaben. (fh)

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Heinrichsdorf (Siemczyno), Polen01.04.2023 – 05:57 Uhr
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Kontakt

Heinrichs-Vereinigung in Siemczyno
Siemczyno 81
78-551 Siemczyno
Tel.: +48 663 840100
E-Mail: hss@palacsiemczyno.pl
Internet: www.palacsiemczyno.pl


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