Kurort Bad Polzin (Połczyn Zdrój) in Westpommern Polen
Die ältere Frau deutet mit dem Zeigefinger auf eine Vorkriegs-Ansichtskarte von Bad Polzin (Połczyn Zdrój). „Das war mein Elternhaus“, sagt sie in gebrochenem Polnisch zu der freundlichen Dame, die uns die Museumsstube im ersten Geschoss des Schlosses, das ehemals dem Adelsgeschlecht derer von Manteuffel gehörte, aufgeschlossen hat. „Wir lebten dort bis 1947, bis zu unserer Vertreibung“, fügt sie hinzu. Ihr Mann schaut nur flüchtig auf das Bild und ergänzt die Ausführungen seiner Frau: „Die Familie lebte im Obergeschoss, aber das existiert nicht mehr. Die Polen haben aus der großzügigen Etagenwohnung einen Heizraum gemacht.“ Über so viel – aus seiner Sicht – Vandalismus könne er nur den Kopf schütteln. Auf die Idee, dass beheiztes Obdach für die Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten hierher umgesiedelt wurden, eines der wichtigsten Grundbedürfnisse war, würde er in seiner anmaßenden Ignoranz eher nicht kommen. Eigene Mitschuld am Verlauf der Weltgeschichte zu hinterfragen läge ihm vermutlich noch ferner.


Außer einer kleinen Museumsstube mit alten Ansichten von Bad Polzin, einer noch kleineren privaten Galerie und einem Kellergewölbe ohne einen eindeutigen Verwendungszweck hat das Schloss nicht wirklich viel zu bieten. Es steht an der Stelle, wo im ausgehenden 13. Jahrhundert der Tempelorden, der in Westpommern große Ländereien besaß, eine Burg errichtete. Noch früher soll hier eine Slawenburg gestanden haben. Heute beherbergt das Gebäude, das im 18. Jahrhundert eine Umgestaltung zum barocken Palais erfuhr, die Stadtbücherei. Es ist liebevoll restauriert, und der schattige Innenhof lädt zu Verweilen ein. Nach einer kurzen Verschnaufpause besichtige ich den überschaubaren Marktplatz mit dem neuklassizistischen Rathaus und den erstaunlich gut erhaltenen und renovierten Bürgerhäusern. An der Marienkirche, die im 14. Jahrhundert erbaut und im 19. Jahrhundert in neugotischer Manier umgebaut wurde, begegne ich erneut den Manteuffels: Erasmus von Manteuffel, der es im 16. Jahrhundert zum Bischoff gebracht hatte, wurde an der Ostseite der Kirche ein Denkmal gesetzt. In der Kirche befindet sich ein bronzenes Epitaph des Edelmannes.
Das Kurbad Polzin
Mit der Entdeckung der Polziner Heilquellen und des milden Mikroklimas zu Beginn des 19. Jahrhunderts beginnt die Geschichte Bad Polzins als Kurbad. Den Aufstieg der Stadt zum „pommerschen Karlsbad“ verdankt Bad Polzin dem Bau der Straße nach Stettin (Szczecin) im 19. Jahrhundert, über die die leidgeplagten Städter bequem die zahlreichen Sanatorien erreichen konnten. 1854 eröffnete das Marien- und das Victoriabad, ein Jahr später das Johanniter-Krankenhaus. Stammgast war unter anderem der junge Otto von Bismarck. Die meisten Sanatorien sind über das 80 Hektar große Gelände des Kurparks verteilt, das nur wenige Gehminuten vom Marktplatz entfernt ist. Über siebentausend der hier wachsenden Bäume sind über 100 Jahre alt. Der Park besteht aus einem französischen und englischen Teil. Der französische Teil besticht durch akkurate Formen der symmetrisch angelegten Sträucher, Teiche, Blumenteppiche und Fußwege. In der Mitte befinden sich die Naturquelle „Joasia“ und ein Amphitheater. Über einen Waldpfad erreicht man den englischen Teil des Parks mit seinem welligen Gelände und freiem, gewollt urig gehaltenem Gesamtkonzept der Grünflächen.
Der Pfad wird schmaler und führt an einer Badeanstalt, in der in der 1930er Jahren die deutschen Schwimmer für Olympia 1936 trainiert haben, zum Stausee. Heute sieht das Freibad recht trist und verlassen aus.

Ein weiteres, historisch interessantes Bauwerk, das nur wenige Kilometer hinter dem Kurpark in einem entlegenen Wäldchen am Südufer des Stausees versteckt liegt, ist das Sanatorium „Borkowo“. In den 1930er Jahren erbaut, war es im Dritten Reich eine Einrichtung des „Lebensborn“ für ledige deutsche Mütter und ihren rassisch einwandfrei gezeugten Nachwuchs. Die Väter waren oft junge SS-Männer. Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich in dem Heim auch polnische Kinder, die aufgrund ihres „arisch-nordischen“ Aussehens ihren Eltern geraubt und zwecks Germanisierung an deutsche Familien zur Adoption freigegeben wurden. Tausende von den ehemaligen polnischen Kindern leben immer noch in Deutschland, ohne ihre wahre Identität zu kennen. (fh)
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Bad Polzin (Połczyn-Zdrój), Polen25.03.2023 – 17:56 Uhr
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