Wahlen zum Sejm (Parlament) und Senat 2015 in Polen, Sieg der PiS und damit Regierungswechsel
Sieger der Parlamentswahlen am 25. Oktober 2015 in Polen ist die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die PiS erhielt mit ihrer Spitzenkandidatin Beata Szydło 37,58 Prozent der Stimmen und damit 235 Sitze im Sejm, die absolute Mehrheit. Zweitstärkste Partei ist die bisher regierende Bürgerplattform (PO) mit 24,09 Prozent. Sie erzielte das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte.
Damit steht in Polen ein Regierungswechsel vor der Tür. Die PiS benötigt zudem keinen Koalitionspartner bei der Bildung einer Regierung.
Die Polen waren aufgefordert, 460 Sejmabgeordnete und 100 Senatoren zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei 50,92 Prozent und damit rund zwei Prozentpunkte höher als bei der Parlamentswahl 2011.

Das offizielle Ergebnis der Wahlen:
Recht und Gerechtigkeit (PiS): 37,58 %
Bürgerplattform (PO): 24,09 %
Kukiz´15: 8,81 %
Nowoczesna: 7,6 %
Bauernpartei (PSL): 5,13 %
Zjednoczona Lewica: 7,55 %
Parteien und Wahlbündnisse, die die Sperrklausel von fünf Prozent für Parteien bzw. 8 Prozent für Wahlbündnisse nicht erreicht haben:
KORWIN: 4,76 %
Razem: 3,62 %
JOW Bezpartyjni: 0,10 %
KWW Stonogi: 0,28 %
Ruch Społeczny RP: 0,03 %
KWW Zjednoczeni dla Śląska: 0,12 %
Samoobrona: 0,03 %
Szczęść Boże G. Brauna: 0,09 %
KNP: 0,03 %
Mniejszość Niemiecka (Deutsche Minderheit): 0,18 %
Obywatele do Parlamentu: 0,01 %
Sitzverteilung im Sejm (insgesamt 460 Plätze):
Recht und Gerechtigkeit (PiS): 235
Bürgerplattform (PO): 138
Kukiz´15: 42
Nowoczesna: 28
Bauernpartei (PSL): 16
Deutsche Minderheit: 1 (Die deutsche Minderheit ist bei den Parlamentswahlen von der Fünf-Prozent-Hürde befreit.)
Sitzverteilung im Senat (insgesamt 100 Plätze):
Recht und Gerechtigkeit (PiS): 61
Bürgerplattform (PO): 34
Bauernpartei (PSL): 1
Unabhängige Kandidaten: 4
Die Wahlbeteiligung lag bei 51,6 %.
Archiv
Rund 30 Millionen Wahlberechtigte Polen sind am 25. Oktober 2015 aufgefordert, das Parlament (Sejm) und den Senat neu zu wählen. In den Umfragen liegt die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit Beata Szydło als Spitzenkandidatin vorn.
Meinungsumfragen: Konservative PiS liegt vor Regierungspartei PO
Mit Beata Szydło schickt die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jarosław Kaczyński eine Frau ins Rennen, die in Polen kaum bekannt war. Trotzdem liegt die PiS in den Umfragewerten weit vor der regierenden Bürgerplattform (PO) mit ihrer Spitzenkandidatin und amtierenden Ministerpräsidentin Ewa Kopacz. Dieser Trend hatte sich schon bei den Präsidentschaftswahlen im Mai dieses Jahres abgezeichnet, als der PiS-Kandidat Andrzej Duda mit sozialpolitischen Themen den Amtsinhaber Bronisław Komorowski von der Bürgerplattform überraschend aus seinem Amtssessel hob.
In ihrer Wahlkampagne macht Beata Szydło dann auch Versprechungen, wie es schon Duda im Wahlkampf getan hatte:
- Das Renteneintrittsalter soll für Männer wieder auf 65 Jahre und für Frauen auf 60 Jahre gesenkt werden.
- Die PiS will zudem die Steuerlast durch die Erhöhung des Steuerfreibetrages auf 8.000 Złoty senken,
- das Kindergeld erhöhen und
- die Mehrwertsteuer von 23 auf 22 % senken.
Letzteres möchte auch die regierende Bürgerplattform. Beide Parteien haben zudem in ihrem Wahlprogramm die Abschaffung des Nationalen Gesundheitsfonds aufgenommen. Das Gesundheitswesen soll direkt über die Steuern finanziert werden. Ansonsten wirft die Bürgerplattform der PiS vor, die wahren Kosten für die zahlreichen Wahlversprechen zu verschleiern.
PiS verzichtet im Wahlkampf auf nationale Töne
Ansonsten ist die PiS kaum wiederzuerkennen. Sie hat anscheinend verstanden, dass sie in der heutigen Zeit mit extrem nationalistischen Tönen die Mehrheit der Menschen nicht mehr für ihre Politik begeistern kann. So fehlen im Wahlkampf verbale Entgleisungen gegen Russland und Deutschland wie in der Vergangenheit. Auch Seitenhiebe gegen die Europäische Union gab es bisher nicht und in der Frage des Umgangs mit den vielen Flüchtlingen hält sie sich weitgehend bedeckt. Ob sich die PiS nur aus taktischen Gründen zurückhält, wird die Zeit nach den Wahlen zeigen. Eines steht jedoch fest. Die politische Ausrichtung der PiS bestimmt nicht die relativ unbekannte und im Wahlkampf farblos wirkende Beate Szydło. Die Strippen in der Partei hält nach wie vor Jarosław Kaczyński fest in seinen Händen.
Die Bürgerplattform ist bereits seit acht Jahren an der Macht. Für polnische Verhältnisse eine lange Zeit. Die Wirtschaft kann sich seit Jahren mit beeindruckenden Wachstumsraten brüsten. Polen ist heute kein Außenseiter mehr in der Europäischen Union. Sichtbares Zeichen dafür ist der frühere Ministerpräsident Polens und PO-Politiker Donald Tusk, der gegenwärtig das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates bekleidet. Doch Ewa Kopacz, die wie ihre politische Konkurrentin als eine Frau mit wenig Ausstrahlung gilt, gelingt es nicht, die wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolge als die Leistung ihrer Regierung zu verkaufen. Viele Polen haben zudem nicht das Gefühl, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht. Geschadet haben der Bürgerplattform auch die "Luxusaffären" vor einigen Jahren, die in den Köpfen der Wähler haften geblieben sind. Damals hatten Politiker der PO auf vulgäre Weise in Warschauer Luxusrestaurants über Wähler und ausländische Politiker und Regierungen gelästert. Die Gespräche wurden heimlich aufgezeichnet und veröffentlicht.
In den Umfragen bringt es die PiS auf 35 % und liegt damit gut 10 % vor der Bürgerplattform. Für eine Alleinherrschaft würde es jedoch nicht reichen. Die PiS wäre auf einen Koalitionspartner angewiesen. Welche der kleineren Parteien und Wahlbündnisse die Fünf- bzw. Acht-Prozent-Hürde (für Wahlbündnisse) schaffen werden, steht in den Sternen. Die Bauernpartei (PSL), die derzeit mit der Bürgerplattform eine Koalition bildet und damit die Regierung stellt, würde vermutlich eine Koalition mit der PiS ablehnen, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren.
Beata Szydło, die viele Jahre lang Bürgermeisterin in der rund 12.000 Einwohner zählenden Stadt Brzeszcze in Kleinpolen war, versucht derweil ihren Bekanntheitsgrad mit Humor zu steigern. In ihrer Antrittsrede stellte sie sich mit den Worten "Mein Name ist Szydło, Beata Szydło" vor. Ob sie mit dieser Anspielung auf James Bond am Ende die Wahl am Sonntag für sich entscheiden kann, wird sich zeigen. Der neue Bond-Film, der im November in die Kinos kommt, wird dagegen mit fast 100-prozentiger Sicherheit ein Kassenschlager.
Platforma Obywatelska (PO)
BürgerplattformEwa Kopacz
Partei | Spitzenkandidat |
---|---|
Prawo i Sprawiedliwość (PiS) Recht und Gerechtigkeit |
Beata Szydło |
Zjednoczona Lewica (ZL) Vereinigte Linke - Wahlbündnis bestehend aus SLD, Twój Ruch, PPS, UP, PZ und PPP |
Barbara Nowacka |
Polskie Stronnictwo Ludowe (PSL) Bauernpartei |
Janusz Piechociński |
Koalicja Odnowy Rzeczypospolitej Wolność i Nadzieja (KORWiN) Koalition der Erneuerung der Republik Freiheit und Hoffnung |
Janusz Korwin-Mikke |
Ruch Kukiza (Kukiz'15) Kukiz’ Bewegung |
Paweł Kukiz |
Nowoczesna (.N) Die Moderne |
Ryszard Petru |
Kongres Nowej Prawicy (KNP) Kongress der Neuen Rechten |
Michał Marusik |
Solidarna Polska (SP) Solidarisches Polen |
Zbigniew Ziobro |
Polska Razem (PR) Polen Zusammen |
Jarosław Gowin |
Ruch Narodowy (RN) Nationale Bewegung |
Robert Winnicki |
Partia Razem (Razem) Gemeinsam |
— |
Komitet Wyborczy Mniejszość Niemiecka (MN) Wahlkomitee Deutsche Minderheit |
Ryszard Galla |
Samoobrona Selbstverteidigung |
- |
Obywatele do Parlamentu Bürger ins Parlament |
- |
KWW Grzegorza Brauna „Szczęść Boże!" "Grüß Gott" |
- |
Zjednoczeni dla Śląska Gemeinsam für Schlesien |
- |
Der Sejm
In den Sejm werden 460 Abgeordnete aus 41 Wahlbezirken gewählt. Es handelt sich um eine Verhältniswahl. Für Parteien gibt es eine Fünf-Prozent-Hürde und für Wahlbündnisse eine Acht-Prozent-Hürde.
Senat
Die 100 Senatoren werden direkt gewählt.
Wahlbeteiligung
1989: 62,7 %
1991: 43,2 %
1993: 52,1 %
1997: 47,9 %
2001: 46,3 %
2005: 40,6 %
2007: 53,9 %
2011: 48,9 %
2015: 51,6 %