Entwicklung der Schifffahrt in Polen
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Barbara Anna Woyno M. A. – Übersetzungen Polnisch-Deutsch-Polnisch

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Die Anfänge der Schifffahrt in Polen

Der über 200 Jahre andauernde Verlust der staatlichen Souveränität warf Polen gegenüber den westlichen europäischen Nachbarn wirtschaftlich um Jahrzehnte zurück. Insbesondere das von Österreich besetzte und landwirtschaftlich geprägte Galizien im Südosten Polens galt als rückständig, arm und überbevölkert. Schon früh suchten daher galizische Kleinbauern, arbeitslose Tagelöhner und jüdische Kleinhändler ihr Glück in der Emigration. Ihr Ziel waren in erster Linie die USA, die bis in die 1920er Jahre hinein ohne Zuzugsbeschränkungen für alle Emigranten offen standen – sofern sie nicht an psychischen oder ansteckenden organischen Krankheiten litten. Die ersten Einwanderer aus Polen (ca. 1000 Menschen) kamen in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika. 1870 lebten schon 70.000 Polen in den USA. Knapp 50 Jahre später waren es 2 Millionen, und 1930 wurden dort 3,5 Millionen polnischstämmige Einwohner verzeichnet, von denen die Hälfte bereits in den USA geboren war. Die letzte große Auswanderungswelle resultierte aus der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre, die auch in Polen hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hatte. Während sich die USA seit Anfang der 1930er Jahre langsam aber stetig von der Rezession erholten, erreichte Polen erst 1939 – also unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs - den wirtschaftlichen Stand vor 1918.

Segelschulschiff Dar Pomorza liegt verteut an der Südmole in Gdingen (Gdynia)
Der Dreimaster "Dar Pomorza" diente bis 1980 als Segelschulschiff der Schifffahrtsschule in Gdingen. Gekauft wurde es mit Spenden, die das Komitee der Nationalen Flotte zu Pomorze (Pomorski Komitet Floty Narodowej) gesammelt hatte. Daran erinnert der Name des Schiffes "Dar Pomorza", was übersetzt so viel wie "Gabe Pommerns" heißt. Foto: Frank Hilbert

Wer die Emigration wählte war zwar arm, gehörte jedoch nicht zu den Ärmsten der Armen. Immerhin konnte er das nötige Geld für die Überfahrt aufbringen. Oft legte die ganze Familie zusammen und gab dem Auswanderungswilligen, in den alle Hoffnungen auf eine bessere Zukunft gesetzt wurden, eine Art Kredit. Diesen zahlte er, sobald er in der Übersee in Lohn und Brot war, redlich an seine in Polen verbliebenen Angehörigen ab. Damit bescherten die Emigranten Polen zwar einen regen Geldzufluss aus Amerika, das große Geld mit dem Passagiertransport verdienten jedoch ausländische Reedereien und Überseehäfen, allen voran Bremen und Hamburg. Um die Umsätze, die mit den Schiffstransporten erzielt wurden, in die polnische Staatskasse zu lenken, beschloss das polnische Parlament, eine eigene polnische Flotte zu gründen und die Emigration zunächst über Danzig zu führen. Die polnische Bevölkerung wurde aufgerufen, für den Aufbau einer Flotte zu spenden. Die Spenden reichten jedoch gerade mal für den Kauf des Segelschulschiffs „Dar Pomorza“ (1929/30), auf dem Studenten der Seefahrtschule in Gdynia ausgebildet wurden. Parallel zu den Plänen, eine polnische Flotte aufzubauen, gab es Bestrebungen, Kolonien in Übersee zu gründen. In Polen existierten mehrere Organisationen, die sich wissenschaftlich mit dem Thema Emigration beschäftigten. Eine der wichtigsten war das 1925 gegründete Wissenschaftliche Institut zur Erforschung der Emigration und Kolonisation (Instytut Naukowy do Badan Emigracji i Kolonizacji). Die Hauptaufgabe des Instituts war es, Modelle möglicher polnischer Kolonien im Ausland zur Stärkung der polnischen Wirtschaft zu erarbeiten. 1932 wurde das Institut durch die Meer- und Kolonialliga (Liga Morska i Kolonialna) abgelöst. Die Zugehörigkeit zu der Liga gehörte fast zur patriotischen Pflicht, und so verzeichnete die Organisation 1935 über eine Million Mitglieder. Aus den Mitgliedsbeiträgen wurde u. a. das U-Boot „Orzel“ finanziert. Mit Zuschüssen der Regierung wurde in Brasilien Land für Plantagen gekauft. Auch in Afrika (in Togo, Guinea und Liberia) wurden polnische Kolonisten angesiedelt. Trotz finanzieller Unterstützung der Meer- und Kolonialliga gingen die polnischen Plantagenbesitzer aber alsbald pleite.

Mit dem Wiedererlangen der Unabhängigkeit 1919 kam der junge polnische Staat in den Besitz von 150 km Ostseeküste mit traumhaft schönen Stränden. Große Überseehäfen fehlten jedoch gänzlich. Die einzigen größeren Häfen in Puck und Hela eigneten sich nur als Kutterhäfen für die Fischerei. Die Nutzung des Danziger Hafens war aufgrund der ständigen Auseinandersetzungen mit dem deutschen Nachbarn auch keine dauerhafte Lösung. Für den Bau eines großen polnischen Überseehafens wurde daher das kleine, in günstiger Nähe zu Danzig gelegene kaschubische Fischerdorf Gdynia ausgewählt. Der Bau, bei dem sich die Regierung nicht mehr auf Spendengelder verlassen wollte, erfolgte in einem schwindelerregenden Tempo. Aussicht auf Arbeit, günstige Kredite und steuerliche Erleichterungen lockten schnell neue Siedler an. Seit dem Beginn des Bauarbeiten 1923 wuchs die Einwohnerzahl von 1000 auf 12.000 im Jahr 1926. Der erste Schritt war getan. Man hatte jetzt zwar einen Hafen, aber immer noch keine Schiffe. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis der Aufbau einer polnischen Passagierflotte konkrete Gestalt annahm. Im Frühjahr 1930 entstand auf der Grundlage eines Vertrags mit der dänischen Reederei The East Asiatic Company Ltd. die Polnische Transatlantische Schiffsgesellschaft (Polskie Transatlantyckie Towarzystawo Okretowe - PTTO) mit 50% polnischen Anteilen. Die Polen übernahmen von den Dänen drei ältere Schiffe, die „Polonia“, „Lituania“ und „Estonia“. Die Schiffe, deren Bau 1912 von der Mitgift der dänischen Prinzessin Dagmar, der späteren Frau von Zar Alexander III., finanziert wurde, hießen ursprünglich „Zarin“, „Kursk“ und „Zar“ und gehörten einer russisch-dänischen Reederei. 1921 gingen sie in dänischem Besitz über. Als „Polonia“, „Pulaski“ und „Kosciuszko“ fuhren sie seit 1930 unter polnischer Flagge auf der Strecke Gdynia – Kopenhagen – Halifax – New York.

1933 wurde in Gdynia nach nur 12 Monaten Bauzeit der „Meereshof“ eröffnet – eine moderne Abfertigungshalle für Schiffsreisende. Zugleich wurde eine offensive Marketingmaschine in Bewegung gesetzt. Der Werbeslogan „Arbeite zu Land und erhole dich auf dem Wasser“ war zwischen Gdynia und Zakopane allgegenwärtig – ob in den Zeitungen, auf Litfaßsäulen, Hauswänden oder kitschigen Postkarten. Um die Schifffahrtsgesellschaft konkurrenzfähiger zu machen und mehr Touristen anzulocken, beschloss man, die Flotte, die aus den recht betagten „Juwelen der Prinzessin Dagmar“, wie die drei in Dänemark erworbenen Schiffe im Volksmund genannt wurden, bestand, durch neue moderne Linienschiffe zu erweitern. 32 Millionen polnische Zloty wurden dafür vorgesehen. Im November 1933 schloss die PTTO (Im Dezember 1934 wurde die PTTO in Gdynia-Amerika Line – GAL – umgewandelt.) mit der italienischen Firma Cantieri Riuniti dell`Adriatico einen Vertrag über den Bau von zwei Linienschiffen geschlossen. Der Stapellauf des ersten Schiffes, der „MS Pilsudski“ (Länge: 160,3 m; Breite: 21,6 m; Tiefgang: 7,5 m; Bruttoregistertonnen: 14.294, 7 Decks), fand im Dezember 1934 auf der Werft von Triest (Monfalcone) statt. Die Jungfernfahrt führte die Pilsudski gleich nach New York. Wenige Monate später ging ihr Schwesternschiff „MS Batory“ auf eine werbeträchtige Europarundreise, danach wurde es ebenfalls auf der Linie Gdynia-New York eingesetzt. Auch wenn die neuen Schiffe nur zwei Klassen (die dritte und die Touristenklasse) und keine Luxuskabinen besaßen, wurden Schiffsreisen nach Amerika zum Maßstab des Wohlstands: Die Bordkarte für die einfache Fahrt in der Kabine der Touristenklasse kostete ca. 500 Zloty. (Zum Vergleich: Ein polnischer Lehrer verdiente damals ca. 200 Zloty im Monat.) Die Reisen waren deshalb besonders bei den wohlhabenden Eliten sehr beliebt. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 machten die MS Batory und MS Pilsundski insgesamt fast 80 Überfahrten nach New York (ca. 10 pro Jahr).

Im zweiten Weltkrieg wurden die Schiffe für Kriegstransporte eingesetzt. Die MS Pilsudski ereilte bereits im November 1939 ein trauriges Schicksal – sie lief vor der englischen Hafenstadt Withernsea auf zwei deutsche Seeminen. Die MS Batory dagegen überstand während ihrer Dienstzeit im Krieg mehrere deutsche Angriffe aus dem Wasser und aus der Luft und bekam den Beinamen „lucky ship“. Das Schiff transportierte unter anderem Soldaten, britische Kinder, polnische Kulturgüter und Goldbarren der Bank of England nach Kanada. Um sicherzustellen, dass deutsche U-Boote das Schiff nicht angreifen, wurden deutsche Kriegsgefangene mit an Bord genommen. Nach dem Krieg wurde das Schiff erneut für Passagierfahrten nach Amerika eingesetzt. Es war bis 1971 in Einsatz. (fh)

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