Ottmachau (Otmuchów) in Polen
Ottmachau ist eine Kleinstadt an der Glatzer Neiße. Sie liegt zwischen zwei Stauseen im Vorgebirge der Sudeten, nicht weit vom Glatzer Land entfernt. Überragt wird sie von einem Schloss auf einer Anhöhe, das bis in das 19. Jahrhundert hinein den Breslauer Bischöfen gehörte.


Vor einer Tafel an einer Zufahrt zum Schloss in Ottmachau (Otmuchów) versuchen eine Frau und ein Mann die verwitterte deutsche Inschrift auf einer Steintafel zu entziffern, die wie folgt lautet:
Staatsminister Wilhelm von Humboldt erhielt im Jahre 1821 Schloss und Herrschaft Ottmachau als Notation von König Friedrich Wilhelm für seine Verdienste um den Preußischen Staat. Sein Urenkel Bernhard Freiherr von Humboldt-Dachroeden mußte im Jahre 1929 infolge des Staubeckenbaues den Rest der Herrschaft mit Schloß aufgeben.
Die beiden sind ein Lehrerehepaar aus dem Münsterland, das auf der Rückreise aus Krakau (Kraków) Station in Ottmachau macht, um die Stadt zu besichtigen. Der Lehrer trägt einen Strohhut, der kerzengerade auf seinem Kopf sitzt. Während der 1,90 m große Mann auf uns herabschaut, erzählt er uns, dass seine Vorfahren aus dieser Gegend stammten. Er bedauere es sehr, dass in den deutschen Schulen das Thema Flucht und Vertreibung nicht behandelt werde. Auch die deutsch-polnischen Beziehungen stünden nicht auf dem Stundenplan. Seine Frau beteiligt sich nicht an der Unterhaltung, sondern schaut ihren Mann mit einem ungeduldigen Blick an und zupft ab und zu am Ärmel seines Hemdes. Als er auf die Politik der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu sprechen kommt, zerrt sie ihn energisch weiter, sodass sein Redeschwall abrupt unterbrochen wird und nur noch eine kurze Verabschiedung möglich ist. Überrascht und amüsiert bleiben wir an der Gedenktafel zurück und blicken dem abziehenden Lehrerehepaar hinterher.
Das Schloss, das auch Bischofsburg genannt wird und heute als Hotel genutzt wird, dümpelt in der Sommersonne vor sich hin. Der Innenhof ist menschenleer, und das Restaurant ist noch geschlossen. Nur aus einem Saal im ersten Stockwerk dringt Musik. Eine Gruppe Teenager, von denen einige fein herausgeputzt sind, andere Alltagskleidung tragen, nimmt gerade Tanzunterricht. Wir beobachten die jungen Leute eine Weile, bevor wir zur Rezeption weitergehen. Dort verkauft uns eine freundliche Mitarbeiterin des Hotels, die in einem kleinen Kabuff hinter einer Glasscheibe sitzt, Karten für den Schlossturm, von dem man die gesamte Stadt und die Seen in der Umgebung überblicken kann.
Aus der Burg wird ein Renaissanceschloss
Ende des 16. Jahrhunderts ließ der Breslauer Bischof Andreas von Jerin (1585–1596) die Burg, die in der Vergangenheit die Südgrenze des Bistums gesichert und einigen Breslauer Bischöfen in politisch brenzligen Zeiten als Zufluchtsort gedient hatte, im Stil der Renaissance aufwendig umbauen. Lange währte die neue Pracht nicht. Während des Dreißigjährigen Krieges zerstörten schwedische Soldaten das Schloss. Anschließend wurde es wieder aufgebaut und gehörte bis zur Säkularisierung durch den preußischen Staat 1810 den Bischöfen. Preußens König Friedrich III. schenkte es – wie bereits erwähnt – einige Jahre nach der Enteignung Wilhelm von Humboldt (1767–1835) für seine politischen Verdienste als Diplomat und Minister.
Ottmachau ist eine Kleinstadt in der Wojewodschaft Opole, einer Gegend, die einst zu Schlesien (Śląsk) gehörte. Etwas über 5.000 Menschen leben in der Stadt, die eingebettet ist in eine landschaftlich reizvolle Umgebung zwischen dem Ottmachauer Stausee (Jezioro Otmuchowskie) und dem Neisser See (Jezioro Nyskie). Ihre Geschichte reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück, als sich hier eine Kastellanei, eine Schlossverwaltung, befand, die durch eine Papsturkunde – die älteste in Schlesien – den Breslauer Bischöfen übereignet worden war. In ihrem Besitz blieb Ottmachau bis zur Säkularisierung 1810. Nicht nur der Umstand, dass Ottmachau ein geistliches Zentrum war, sondern auch seine Lage an der Glatzer Neisse (Nysa Kłodzko) und einem Handelsweg von Böhmen nach Polen begünstigte ihre wirtschaftliche Entwicklung, was schließlich dazu führte, dass Ottmachau 1347 von Bischof Preczlaus von Pogrell das Magdeburger Stadtrecht erhielt.

Sehenswürdigkeiten – was Ottmachau noch zu bieten hat
Umgeben war die Stadt von einer Stadtmauer, die Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem sie schon lange ihre strategische Bedeutung als Verteidigungsanlage verloren hatte, abgetragen wurde. Trotzdem sind noch einige Fragmente von ihr erhalten geblieben, so zum Beispiel die Neisser Torbastei in der ul. Nysa 10.
Was gibt es noch für Sehenswürdigkeiten, die einen Blick lohnen? Zu nennen ist hier vor allem die Pfarrkirche St. Nikolaus und -Franziskus-Xaverius, die zwischen 1690 und 1693 im Barockstil an Stelle ihrer Vorgängerkirche errichtet worden ist. Die Vorgängerkirche musste abgerissen werden, weil sie während der Husittenkriege (1419–1436) stark beschädigt worden war. Baumeister des Neubaus war Johann Peter Tobler. Den Eingang ziert die Wappenkartusche des Stifters Fürstbischofs Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1664-1732). Sechs Apostelfiguren stehen in Nischen in der Fassade. Das Tonnengewölbe, das den einschiffigen Kirchenbau überspannt, hat Karl Dankwart mit Malereien versehen, und der barocke Hochaltar ist ein Werk von Johann Weinmann aus Ellwangen in Baden-Württemberg.
Fürstbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg stiftete nicht nur den Neubau der Pfarrkirche, sondern ließ auch mit Geld aus seiner Privatschatulle das Niederschloss, den einstigen Bischofspalast, im Stil des Barock errichten. Mit dem Bau beauftragte er den Architekten M. Klein, der ihn 1707 fertigstellen konnte.
In der Mitte des Marktplatzes (Rynek) steht das Rathaus. Es handelt sich um einen Renaissancebau, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstand. Die Fassade ist mit Sgraffito versehen, einer aus Italien stammenden Technik zur Verzierung von Fassaden, bei der mehrere Schichten Putz aufgetragen werden. Bei dieser Technik werden Teile der oberen Schicht unregelmäßig abgekratzt. Durch den Farbkontrast der Putzschichten entstehen Verzierungen. Ein weiterer Hingucker am Rathaus ist die Sonnenuhr von 1575, die an der Südostecke hängt. Das Rathaus beherbergt die Touristeninformation von Ottmachau. (fh)
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Ottmachau (Otmuchów), Polen01.04.2023 – 06:47 Uhr
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