Kriegsgefangenenlager Lamsdorf (Łambinowice)
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Kriegsgefangenenlager Lamsdorf (Łambinowice)

Es ist ein gepflegtes Dorf. Die Gehwege sind frisch gepflastert. Ein altes Fachwerkhaus ist saniert und zum Zentrum für Kultur, Sport und Erholung ausgebaut worden. Im Park Drumherum blühen Blumen, der Rasen ist gemäht, an neuen Fitnessgeräten trainiert emsig ein Ehepaar, das die 70-Jahre-Grenze bereits überschritten haben muss. Bäume spenden kühlenden Schatten in der Mittagssonne an diesem Tag im Juli. Die Idylle steht im Kontrast zur Vergangenheit dieses Ortes, der bis 1945 Lamsdorf und - seitdem er zu Polen gehört - Łambinowice heißt. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) betrieb die deutsche Wehrmacht in Lamsdorf ein Kriegsgefangenenlager, in dem tausende Soldaten gegnerischer Armeen ums Leben kamen. Nach dem Krieg waren es Deutsche, die hier ebenfalls unter unmenschlichen Bedingungen in einem Arbeits- und Umsiedlungslager hinter Stacheldraht eingesperrt waren.

Denkmal für sowjetische Kriegsgefangene Polen Fotos
Mahnmal für sowjetische Kriegsgefangene, die während des Zweiten Weltkrieges im Kriegsgefangenenlager Lamsdorf ums Leben gekommen und in Massengräbern verscharrt worden sind. Foto: Frank Hilbert

Seit dem Deutsch-Französischen Krieg (1870–1871) betrieb das deutsche Militär in Lamsdorf einen Truppenübungsplatz, der immer wieder als Kriegsgefangenenlager diente. 
Traurige Berühmtheit erlangte Lamsdorf während des Zweiten Weltkrieges, als hier Soldaten der Roten Armee unter erbärmlichen Bedingungen inhaftiert waren. Auch Soldaten anderer Armeen der Anti-Hitler-Koalition und 6.000 Soldaten der polnischen Heimatarmee, die am Warschauer Aufstand 1944 teilgenommen hatten, internierten die Deutschen in der schlesischen Provinz. Von den über 300.000 Inhaftierten starben 42.000, fast alle Angerhörige der Roten Armee.  Zunächst war Lamsdorf ein Durchgangslager. Erst mit dem Eintreffen von britischen Kriegsgefangenen im Jahr 1940 baute die deutsche Wehrmacht Lamsdorf zu ihrem größten Stammlager (StaLag) aus.

Das Museum in Łambinowice

Das Eingangstor zum Truppenübungsplatz und das Wärterhäuschen gibt es noch. Nur wenige Meter dahinter steht das einstige Verwaltungsgebäude, in dem ein Museum an die Vergangenheit erinnert. Der Eintritt ist frei. Zufällig treffen wir den Kurator, der uns eine Einführung in die Geschichte von Strafgefangenlager gibt. Er führt uns durch die Ausstellung und erklärt uns die Unterschiede zwischen Stalags (Stammlager, für Mannschaften und Unteroffiziere) und Oflags (Offizierslager) und berichtet, dass die Deutschen - entsprechend der Ideologie der Nationalsozialisten - die sowjetischen Kriegsgefangenenlager am schlechtesten behandelten. In Lamsdorf hausten sie in den ersten Monaten – bis der Bau der Baracken abgeschlossen war – in Erdlöchern. 40.000 sowjetische Kriegsgefangene starben an Unterernährung und Entkräftung.
Ausführlich erzählt er aber auch von der Ermordung polnischer Offiziere in den Wäldern von Katyn in Zentralrussland 1940 durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten) und davon, dass NKWD-Mitarbeiter Massaker an polnischen Offizieren auch bei Kalinin und bei Charkow verübten. Ein Teil der Ausstellung in Lamsdorf ist Katyn gewidmet.

Der Alte Kriegsgefangenenfriedhof

Vor dem Museum stoßen wir auf eine Gruppe Jugendlicher aus Polen, Deutschland und der Ukraine, die auf dem Alten Kriegsgefangenenfriedhof in der Nähe des Museumsgebäudes Gräber pflegen. Es ist ein Projekt des Vereins Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Die Gräber auf dem 4,5 Hektar großen Alten Friefhof spiegeln die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers wider. Es sind Gräber von Kriegsgefangenen, die in Lamsdorf während des Deutsch-Französischen Krieges (1870–1871), des Ersten (1914–1918) und Zweiten Weltkrieges (1939–1945) interniert waren und hier gestorben sind. Sie kamen aus Frankreich, den USA, Großbritannien, Polen, Italien, Belgien, Serbien und Russland.
Die Geschichte Lamsdorfs als Militärstandort begann in der preußischen Zeit. 1860 richtete die preußische Armee in dem Ort in der Nähe von Oppeln (Opole) einen Truppenübungsplatz ein, der während des deutsch-französischen Krieges als Internierungslager für rund 6.000 französische Soldaten genutzt wurde. Nach 1871 diente das Gelände wieder als Truppenübungsplatz, bis der Erste Weltkrieg begann und erneut Soldaten feindlicher Truppen hier interniert wurden. 7.000 von ihnen starben in Lamsdorf und fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem Alten Kriegsgefangenenfriedhof.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Teile Oberschlesien nach einer Volksabstimmung Polen zugesprochen. Viele Deutsche emigrierten aus den angeschlossenen Gebieten nach Deutschland, unter anderem nach Lamsdorf, wo sie in den Gebäuden des Truppenübungsplatzes wohnten. Es handelte sich überwiegend um Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn mit ihren Familien, die von Katowice nach Oppeln (heute Opole) versetzt worden waren und hier auf den Bau von Dienstwohnungen warteten. Die Emigranten, die in dieser Zeit in Lamsdorf starben, wurden ebenfalls auf dem Alten Friedhof beigesetzt.

Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene

Das Gelände der Gedenkstätte dehnt sich bis zu zehn Kilometer in der Länge aus. Überall verstreut liegen Friedhöfe, Gedenksteine, Überreste von Unterkünften und Wirtschaftsgebäuden. Auf dem 1942 in der Nähe des Stalags 318/VIII angelegten Friedhof für sowjetische Kriegsgefangenen steht ein Mahn- und Ehrenmal. Entworfen haben es Jan Borowszak, Jerzy Beski, Marian Nowak und Florian Jesionowski in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Es erinnert daran, das die Deutschen auf dem Friedhof 40.000 sowjetische Soldaten in Massengräbern verscharrt haben.
Die Überreste des Stalags 318/VIII, das eigens für Soldaten der Roten Armee eingerichtet worden war und in dem im Juli 1941 die ersten Transporte mit sowjetischen Kriegsgefangenen eintrafen, können ganz in der Nähe des Ehrenmals ebenfalls besichtigt werden.

Skulptur im Museum in Lamsdorf
Ein Teil der Ausstellung in Lamsdorf ist der Ermordung von polnischen Offizieren durch den sowjetischen NKWD in Katyn gewidmet. Foto: Frank Hilbert

Arbeitslager Łambinowice

Im Wärterhäuschen neben dem Museum ist eine Ausstellung dem Schicksal der deutschen Gefangenen gewidmet, die nach dem Zweiten Weltkrieg (1945–1946) im Arbeits- und Umsiedlungslager Łambinowice inhaftiert waren. In der deutschen Erinnerungsliteratur setzte sich der Begriff "Hölle von Lamsdorf" nach einem gleichnamigen Buch von Heinz Esser aus dem Jahr 1969 durch. Eindrucksvoll werden in der Ausstellung im Wärterhäuschen die unmenschlichen Bedingungen unter dem Lagerkommandanten Czesław Gęborski (1925–2006) am Beispiel von Einzelschicksalen dargestellt. Auch über die juristische Aufarbeitung dieses Kapitels der polnischen Geschichte wird berichtet. Im Jahr 2000 begann in Oppeln der zweite Prozess gegen Gęborski, in dem ihm achtundvierzigfacher Mord an Lagerinsassen vorgeworfen wurde. Noch vor Prozessende verstarb der pensionierte Geheimdienstmitarbeiter, sodass es nicht mehr zu einem Urteilsspruch kam. Im ersten Prozess vor einem polnischen Gericht im Jahr 1958 sprachen die Richter Gęborski, dem die Anklage Mord in 71 Fällen vorwarf, frei.
Die etwa 1.500 in Łambinowice ums Leben gekommenen Deutschen wurden in Massengräbern verscharrt. Polnischen und deutschen Wissenschaftlern gelang es, 1.137 der Opfer zu identifizieren. Ihre Namen sind in Marmortafeln eingemeiselt, die auf dem Friedhof liegen.

Wie der Zufall es will, erzählten uns am Abend die beiden Töchter von Freunden in Gogolin, denen wir spontan nach unserem Aufenthalt in Lamsdorf einen Besuch abgestattet haben, dass sie in ihrer Schulzeit ebenfalls im Rahmen eines Projektes des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge in Łambinowice gearbeitet hätten. Damals, in den 1990er Jahren, seien sie mit einem Bus der Bundeswehr dorthin gefahren. „Der Bus der deutschen Armee hat damals noch eine Menge Aufmerksamkeit auf sich gezogen“, erinnert sich eine der beiden Frauen. (fh)

Geschichtspfad der Nationalen Gedenkstätte in Łambinowice

  1. Alter Kriegsgefangenenfriedhof
  2. Stalag VIII B (344)
  3. Museum
  4. Arbeitslager in Łambinowice
  5. Stalag 318/VIII F (344), Gefangenenlager für Soldaten der Roten Armee
  6. Friedhof für sowjetische Kriegsgefangene mit einem Mahnmal, das 1964 enthüllt wurde

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Lamsdorf (Łambinowice), Polen27.03.2023 – 18:09 Uhr
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LamsdorfWetter Polen3.19 °CLuftfeuchte: 62%
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Sehenswürdigkeit

Zentralen Museum der Kriegsgefangenen
ul. Muzealna 4
48-316 Łambinowice
Tel.: +48 77 4343475
E-Mail: lambinowice@cmjw.pl
Internet: www.cmjw.pl

Anmerkung:

Der Eintritt in das Museum ist kostenfrei.

Speziell für Schüler- und Studentengruppen bietet das Museum Workshops und geführte Besichtigungen des Museums an. Das Angebot ist kostenlos.


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