Jahrhunderthalle in Breslau (Wrocław) in Niederschlesien, Polen
Auch heute noch ist die 1913 eröffnete Jahrhunderthalle (Hala Stulecia) in Breslau (Wrocław) ein beeindruckendes Bauwerk. Mit ihrer 23 Meter hohen Kuppel, die eine Spannweiter von 65 Metern hat, war sie im Jahr ihrer Eröffnung das größte freitragende Bauwerk der Welt.


Ihre technisch anspruchsvolle Konstruktion war für die Zeigenossen gewagt und die Skepsis groß. Als sich die Arbeiten an der Kuppel dem Ende näherten, weigerten sich die Bauarbeiter, die Verschalungen an den aus Beton gegossenen Rippen zu lösen. Sie hatten Angst, das Bauwerk könne einstürzen. Der Breslauer Stadtbaurat und Planer der Jahrhunderthalle, Max Berg, bot einem Passanten auf der Straße eine Goldmark an, wenn er zusammen mit ihm die erste Spannschraube löse. Der Passant willigte ein. Die Kuppel des Neubaus stürzte nicht ein. Erst jetzt begannen die Bauarbeiter mit ihrer Arbeit und lösten die Verschalungen.
"Braucht Breslau ein Ausstellungsgelände?"
Schlesien erlebte im 19. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung. In der Wirtschaftsmetropole Breslau fehlte jedoch ein geeignetes Messegelände, auf dem die Industrie ihre Produkte präsentieren konnte. Jahrzehntelang konnten sich die Breslauer nicht zum Bau entschließen. Den Stein ins Rollen brachte schließlich Karl Masner, Direktor des Museums für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau, mit einem 1908 in der Zeitschrift "Schlesien" veröffentlichten Artikel, in dem er die rethorische Frage "Braucht Breslau ein Ausstellungsgelände?" stellte und sich vehement für den Bau aussprach. Er machte den Vorschlag, den 100. Jahrestag der Unterzeichnung des "Aufrufs an mein Volk", in dem der preußische König Wilhelm III. am 17. März 1813 zum Kampf gegen Napoleon aufgerufen hatte, zum Anlass für den Bau eines Messegeländes zu nehmen. Schließlich stimmten die Stadtväter zu. Eröffnet werden sollte das Messegelände am 13. März 1913 mit einer "Jahrhundertausstellung". Als Standort wählte die Stadt ein Gelände zwischen dem Scheitninger Park, dem Zoologischem Garten und der Oderpromenade im Osten von Breslau aus.
Unter den eingereichten Entwürfen für die Jahrhunderthalle, die das Zentrum des Messegeländes bilden sollte, befand sich auch der von Stadtbaurat Max Berg. Sein Entwurf war im Breslauer Stadtrat zunächst umstritten und wurde kontrovers diskutiert. Manche bezeichneten ihn als "Hutschachtel" oder verglichen den geplanten Bau mit einer "Gasanstalt". Am Ende stimmte der Stadtrat den Plänen von Max Berg trotz aller Einwände zu.
Nachdem die Entscheidung gefallen war, wurde das Projekt zügig umgesetzt. Baubeginn war 1911. Ein Jahr später war der Rohbau bereits fertiggestellt.
Uraufführung von Gerhart Hauptmanns Stück "Festspiel in deutschen Reimen"
Nach Max Bergs Vorstellungen sollte das Gelände nicht nur für Handels- und Industriemessen, sondern auch für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. Bei der Planung der Jahrhunderthalle legte er deshalb großen Wert auf die Akustik und ließ eine Orgel mit 16.706 Pfeifen und 222 Registern einbauen. Es war die größte der Welt in jener Zeit.
Um die Jahrhunderthalle herum entstanden weitere Gebäude, Parkanlagen und Gärten. Im Vier-Kuppel-Pavillon, der nach Entwürfen des damaligen Direktors der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe Hans Poelzig entstand, lud eine Ausstellung über die Befreiungskriege ein. Zum Ausstellungsgelände gehörten zudem ein Terrassenrestaurant und ein Wasserbecken, das von einer Pergola, einem Säulengang, umgeben war. Gleich hinter dem Wasserbecken legte Graf Fritz von Hochberg zusammen mit dem Japaner Machichi Arai einen japanischen Garten an. Die Anlage mit einem Teehaus, kleinen Kanälen und Brücken wurde zu einer der Hauptattraktionen des Jahrhundertausstellung und lockt auch heute noch jedes Jahr tausende Besucher an.
Im Mai 1913 fanden parallel die Eröffnung der Jahrhundertfeier und des Messegeländes statt, zu der Kaiser Wilhelm II. aus Berlin anreiste. Eigens für die Feierlichkeiten hatte der gerade mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Gerhart Hauptmann das Theaterstück "Festspiel in deutschen Reimen" geschrieben. Es thematisierte die Befreiungskriege von der napoleonischen Herrschaft. Max Reinhardt inszenierte es.

Entwicklungen in der modernen Architektur
Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) kämpfte Niederschlesien mit einem wirtschaftlichen Niedergang. Nach einer Volksabstimmung, die am 20. März 1920 durchgeführt wurde, gingen 30 Prozent Oberschlesiens an Polen. Mit der neuen Grenzziehung wurden alte Wirtschaftsverbindungen zerschnitten, mit negativen Folgen für die Industrieproduktion und die Landwirtschaft. In diesem Umfeld musste das Messegelände, das in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, neue Konzepte entwickeln, um wirtschaftlich zu überleben. Die Messe organisierte Kunstveranstaltungen und zeigte Ausstellungen der Architektur. Die bedeutendste war die Ausstellung "Wohnung und Werkraum" (WuWa), die der Landesverband des Deutschen Werkbundes zusammen mit der Breslauer Siedlungsgesellschaft A. G. im Juli 1929 organisiert hatte. Für die WuWa wurde eine Mustersiedlung mit Reihenhäusern sowie Ein- und Mehrfamilienhäusern errichtet, die Entwicklungen in der modernen Architektur und für preiswertes Bauen aufzeigte. Insgesamt umfasste die Mustersiedlung 37 Objekte. Als Vorbild für die WuWa diente die Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1927. Es verwundert also nicht, dass sich unter den 11 Architekten der Breslauer Ausstellung auch zwei befanden, die schon in Stuttgart vertreten waren: Hans Scharoun und Adolf Rading.
Den II. Weltkrieg (1939-1945) hat die Jahrhunderthalle fast ohne Schaden überstanden. Auch das Vier-Kuppel-Pavillon, das Restaurant, der japanische Garten und die Mustersiedlung existieren noch. Zerstört wurden eine Messehalle und der Haupteingang, die 1925 nach Plänen von Max Berg entstanden waren. Der Haupteingang und die 9.000 m² große Messehalle waren durch eine gemeinsame flache Dachkonstruktion aus Holz miteinander verbunden. Im Eingangsbereich ruhte das Dach auf schlanken Betonsäulen. Sie ragen noch heute in den Himmel.
UNESCO-Weltkulturerbe
Drei Jahre dauerte es nach dem II. Weltkrieg, bis die erste Großveranstaltung in der Jahrhunderthalle stattfand. Die Verhältnisse in der niederschlesischen Metropole hatten sich vollkommen verändert. Breslau gehört seit 1945 zu Polen und heißt Wrocław. Ihren Anspruch auf die ehemaligen deutschen Gebiete, die im Potsdamer Abkommen Polen zugesprochen worden waren, wollte die polnische Regierung mit der Ausstellung der Wiedergewonnen Gebiete (Wystawa Ziem Odzyskanych) untermauern und gleichzeitig die Leistungen der nunmehr polnischen Bevölkerung beim Wiederaufbau präsentieren. Extra für diese Ausstellung wurde vor dem Eingang der Jahrhunderthalle die Stahlnadel (Iglica) nach einem Entwurf von Stanisław Hempel errichtet. An den 100 Tagen, die die Ausstellung dauerte, konnten zwei Millionen Besucher gezählt werden. Ebenfalls 1948 fand der Weltkongress der Intellektuellen im Dienste des Friedens statt, zu dessen Besuchern Pablo Picasso, Frederic Joliot Curie, Ilia Erenburg, Paul Eluard und Max Frisch zählten.
Für unzählige Messen, Sportveranstaltungen und Konzerte diente die Jahrhunderthalle seit 1948. Auch als Kino wurde die Halle zeitweise genutzt. Das Messegelände wurde ständig an die sich verändernden Anforderungen angepasst. So wurde zum Beispiel auf dem Gelände der zerstörten Messehalle aus dem Jahr 1925 ein Industriepavillon gebaut.
Die Jahrhunderthalle gehört zu den bedeutendsten Bauwerken des 20. Jahrhunderts. Dem wurde bereits 1962 Rechnung getragen, indem man sie unter Denkmalschutz stellte. Seit 2006 steht sie auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. (fh)
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Breslau (Wrocław), Polen27.03.2023 – 18:24 Uhr
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Kontakt
Jahrhunderthalle (Hala Stulecia)
Wystawowa 1
51-618 Wrocław
Geodaten: 51.1068875,17.0773185
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