Evangelisch-Augsburgische Kirche in Lublin, Polen
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Evangelisch-Augsburgische Kirche in Lublin, Polen

Die evangelisch-augsburgische Gemeinde in Lublin zählt heute rund 300 Mitglieder. Viele von ihnen sind die Nachfahren deutscher Kolonisten. Ihre Kirche, die Dreifaltigkeitskirche, ein schnörkelloser klassizistischer Bau, steht in der ul. Ewangelicka 1.

Evangelisch-augsburgische Kirche in Lublin
Foto: Frank Hilbert

Die Protestanten in Lublin sind Nachfahren deutscher Kolonisten. Davon zeugen noch deutsche Namen: zum Beispiel Vetter, Schoeneich und Haberlau. Vor dem Zweiten Weltkrieg machten sie zwei Prozent der Lubliner Bevölkerung aus und besaßen 60 Prozent des Kapitals in der Stadt. Kein Wunder, schließlich handelte es sich bei ihnen um die bedeutendsten Unternehmer: Brauerei- und Bankbesitzer, Industrielle und Apotheker. Ihren Wohlstand verdankten sie ihrer Tüchtigkeit, dem sprichwörtlichen protestantischen Pietismus. Der verpflichtete sie auch, einen Teil ihres erwirtschafteten Vermögens für wohltätige Zwecke zu verwenden. So stifteten sie zum Beispiel Schulen, ein Theater, ein Krankenhaus und einen Alterssitz für pensionierte und alleinstehende Lehrerinnen.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg hatten die Lubliner Protestanten einen schweren Stand. Während der polnischen Teilung gehörte Lublin zu Russland. Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, verdächtigten die russischen Machthaber die Protestanten der Kollaboration mit dem deutschen Feind und deportierten sie ins Innere Russlands. Von 8.857 Protestanten blieben nur 519 in der Stadt. Ab 1916 kehrten sie nach und nach in ihre Heimatstadt zurück, sodass die Gemeinde 1919 wieder 5.051 Mitglieder zählte. Während der Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg verweigerten sie die Zusammenarbeit mit den Deutschen und wurden deshalb verfolgt. Pfarrer Juliusz Bursche zum Beispiel war ein glühender polnischer Patriot. Er hätte ins Ausland fliehen können, tat es aber nicht. Stattdessen wurde er von den Deutschen verhaftet, ins Konzentrationslager Oranienburg deportiert und schließlich von der Gestapo 1942 in Berlin ermordet. Für die Nationalsozialisten war Bursche auch deshalb ein rotes Tuch, weil er an den Verhandlungen über den Versailler Vertrag teilgenommen und sich vehement gegen eine Volksabstimmung in Masuren und Westpommern über die staatliche Zugehörigkeit ausgesprochen hatte. Er plädierte für einen Anschluss ohne Abstimmung. Als der ausgehandelte Versailler Vertrag dann doch Volksabstimmungen in den genannten Gebieten anordnete, übernahm Bursche den Vorsitz des polnischen masurischen Abstimmungskomitees (Mazurski Komitet Plebiscytowy), welches für den Anschluss an Polen warb.

In Lublin beschlagnahmte SS- und Polizeiführer im Distrikt Lublin, Odilo Globocnik, die Villa der protestantischen Familie Haberlau und wohnte dort bis 1943. Das Wandbett, in dem der Massenmörder schlief, steht immer noch im Haus. Die evangelische Kirche nutzten die Besatzer für Gottesdienste, die auch Wachleute des Konzentrationslagers Majdanek besuchten.
Nach dem Krieg verheimlichten viele Gemeindemitglieder ihren Glauben, weil sie nicht mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht werden wollten. Nur zehn Lubliner bekannten sich offiziell zu ihm. Heute zählt die Gemeinde 200 Mitglieder. Die meisten sind Konvertiten.

Der evangelische Friedhof in Lublin befindet sich in der ul. Lipowa 16. Erhalten geblieben sind zahlreiche Gräber aus dem 19. Jahrhundert, darunter auch viele von Unternehmern. Vor den Gräbern bedeutender Persönlichkeiten der Stadt stehen Informationstafeln auf Polnisch und Englisch. Wer den Friedhof besucht, begibt sich gleichzeitig auf eine Reise durch die Lubliner und polnische Geschichte. Während der polnischen Teilung, die nach dem Ersten Weltkrieg mit der Ausrufung der Zweiten Republik endete, gehörte Lublin zu Russland. Ein Teil des Friedhofs ist orthodox. Hier haben viele hochrangige russische Militärs ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sehenswert ist auch die orthodoxe Kapelle (Cerkiew pw. Niewiast Niosących Wonności i św. Proroka Eliasza). (fh)

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