Reiseführer Słubice bei Frankfurt (Oder)
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Słubice, ein früherer Vorort von Frankfurt (Oder)

„In Słubice gibt es keine Sehenswürdigkeiten“, sagt die Mitarbeiterin der Touristeninformation in Frankfurt (Oder). „Słubice war doch nur ein Vorort von Frankfurt.“ Erst auf erneute Nachfrage sagt sie: „Vielleicht das Stadion und die Kirche.“

Das Schützenhaus in Słubice Polen Fotos
Das Schützenhaus in Słubice wird von der katholischen Gemeinde als Kirche genutzt und steht hinter dem Oderdamm. Fotos: Frank Hilbert

In der Tat gehörte Słubice bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu Deutschland und war ein Vorort von Frankfurt (Oder), der Dammvorstadt hieß und den die Frankfurter auch Gartenstadt nannten. Nachdem die Dammvorstadt durch das Potsdamer Abkommen im Sommer 1945 dem polnischen Staatsgebiet zugeordnet worden war, erhielt sie den Namen Słubice. Die Namenswahl war nicht zufällig. Vor gut 750 Jahren existierte hier eine slawische Siedlung, die Słubice hieß.

Bindeglied zwischen Polen und Deutschland

Die Bemerkung der Mitarbeiterin der Touristeninfo passt so gar nicht in das Bild, das Frankfurt und Słubice nach außen vermitteln möchten. Die beiden Städte sehen sich eher als ein Bindeglied zwischen Polen und Deutschland. Im Juli 1991 wurde in Frankfurt die Europa-Universität Viadrina gegründet, die Studiengänge in Kulturwissenschaften, Jura und Wirtschaftswissenschaften anbietet. Sie hat sich unter anderem der Förderung der deutsch-polnischen Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Kultur verschrieben.
Ein Stadtbummel nach Słubice lohnt sich allemal und es gibt mehr zu sehen als nur die beiden "Polenmärkte" (Offiziell heißen sie Bazar.) in der ul. Kopernika und in der ul. Sportowa, wo Kunden preiswert einkaufen, tanken oder sich die Haare für wenig Geld schneiden lassen können. Zugegeben, die Häuser sind nicht so picobello saniert wie die am anderen Flussufer in Frankfurt (Oder). Jedoch haben auch bröckelnde Fassaden ihren Charme. Es gibt alte Inschriften an Hausfassaden oder original erhaltene Haustüren aus der Gründer- oder Jugendstilzeit zu entdecken. Davon gibt es noch einige, denn im Gegensatz zu dem Teil von Frankfurt, der am Westufer der Oder liegt, wurde die Dammvorstadt im Zweiten Weltkrieg nicht so stark zerstört.

Tipps für einen Stadtrundgang - das Schützenhaus

Zu den ältesten Gebäuden zählt das Schützenhaus in der ul. 1 Maja 31, das im Auftrag der Frankfurter Schützengilde errichtet und im Jahr 1775 eröffnet wurde. Weil die Dammvorstadt 1945 keine eigene Kirche besaß, funktionierte die katholische Gemeinde das Gebäude 1946 kurzerhand zur Kirche um. Zum Schützenhaus gelangen Sie, indem Sie hinter der Stadtbrücke nach rechts in die ul. 1 Maja einbiegen und auf dem Oderdamm entlang gehen. Nach etwa 1,5 km haben Sie ihr Ziel erreicht. Es ist ein angenehmer Spaziergang bis dorthin. Rechter Hand können Sie auf der anderen Seite der Oder Frankfurt sehen. Zu erkennen sind der Turm der Marienkirche und der Oderturm. Die dem Deich vorgelagerten Oderwiesen waren zwischen dem Zweiten Weltkrieg und bis hinein in die Nachwendezeit Grenz- und damit Sperrgebiet. Links hinter dem Oderdamm können Sie einige alte Wohnhäuser und Villen bewundern.

Das ehemalige Ostmarkstadion in Słubice
Das einstige Ostmarkstadion.

Ostmarkstadion und Waldsiedlung mit Kleistturm

Weitere eineinhalb Kilometer weiter - in der ul. Sportowa 1 - steht das Stadion, das den für deutsche Zungen sperrigen Namen Stadion Słubickiego Ośrodka Sportu i Rekreacji Sp. z o.o. trägt und das früher Stadion an der Kleisthöhe und Ostmarkstation hieß. Der Bau, der nach Plänen des Architekten Otto Morgenschweiss entstand, konnte nach etwa zehn Jahren Bauzeit 1927 eröffnet werden und beeindruckt durch einen halbrunden Arkadenbau aus Rüdersdorfer Kalkstein an der Südostkurve.
Gleich hinter dem Stadion liegt die Waldsiedlung (früher Kleisthöhe), eine Parkanlage mit Wanderwegen in einem ausgedehnten Wald und einer Rodelbahn. Die Siedlung ist Teil des Europa-Gartens. Die Kleisthöhe war bis 1945 eine der beliebtesten Ausflugsziele der Frankfurter Bevölkerung. Ziel vieler Ausflügler war der Kleistturm, an dessen Fuß eine Gaststätte zum Verweilen einlud. Errichtet wurde er auf Initiative des Verschönerungsvereins Frankfurt (Oder) im Andenken an den Dichter Ewald Christian von Kleist, der am 12. August 1759 in der Schlacht von Kunersdorf nahe Frankfurt (Oder) verwundet worden war und am 24. August in Frankfurt an den Folgen seiner schweren Verletzungen verstarb. Die Schlacht war eine der größten Niederlagen, die der Preußenkönig Friedrich II. einstecken musste und die fast zur völligen Niederlage Preußens führte. Doch Friedrich hatte Glück. Am 5. Januar 1762 starb die russische Zarin Elisabeth, der Peter III. auf dem Zarenthron folgte. Peter war ein Fan des Preußenkönigs und schloss mit ihm einen Allianzvertrag. Der Fortbestand Preußens war damit gesichert. Vom Kleistturm, der 1892 eröffnet werden konnte, sind nur noch einige wenige Trümmerteile zu sehen. Deutsche Soldaten zerstörten ihn auf ihrem Rückzug im Frühjahr 1945, weil sie befürchteten, die heranrückende sowjetische Artillerie könnte den Turm zur Peilung benutzen.

Jüdischer Friedhof

Unweit von hier, am Ende der ul. 1 Maja, befindet sich einer der ältesten jüdischen Friedhöfe Mitteleuropas, der seit 1399 existiert. Ungewöhnlich ist: 1937 - nachdem im Dritten Reich die Nürnberger Rassengesetze vom Reichstag bereits verabschiedet worden waren - wurde auf dem Friedhof ein Denkmal für im I. Weltkrieg gefallene deutsche Soldaten jüdischen Glaubens enthüllt. Stifter des Denkmals war der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, dem seit 1936 politische Aktivitäten untersagt waren und der 1938 von den Nationalsozialisten aufgelöst wurde. Ebenfalls 1938, während der Reichskristallnacht, wurde das Denkmal zerstört.
Der Friedhof wurde noch während des Zweiten Weltkrieges genutzt. 1941 fanden 100 jüdische Opfer aus dem Arbeitslager Finkenheerd hier in einem Massengrab ihre letzte Ruhestätte und die letzte jüdische Beisetzung fand im Jahr 1944 statt.
Bei einem Bombenangriff der britischen Royal Air Force auf Frankfurt im Februar 1944 wurde der Friedhof beschädigt. Nach dem Krieg ist er weiter verfallen, weil sich die polnischen Behörden nicht um den Erhalt gekümmert haben. Ein privater Investor durfte nach der politischen Wende in Polen auf dem Gelände des Friedhofs sogar einen Nachtclub errichten, was heftige Proteste jüdischer Organisationen hervorrief und 2004 während eines Besuchs des damaligen polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller in den USA thematisiert wurde. Der polnische Staat kaufte das Friedhofsgelände schließlich zurück und übergab es an die jüdische Gemeinde. Verwaltet wird der Friedhof heute von der Warschauer jüdischen Gemeinde. Auf dem Friedhof stehen nur noch drei Grabsteine, zwei davon gehören zu den Gräbern der Rabbiner Sacharja Mendel von Podheiz und Jehuda Leib Margaliot. Leider kann der jüdische Friedhof nicht besichtigt werden.

Letzter Kantor der jüdischen Gemeinde in Frankfurt / O. war Julius Rosenbaum, der zusammen mit seiner Frau, Erna Rosenbaum, 1938 auf Drängen seines Sohnes in die Niederlande emigrierte. 1943 wurde das Ehepaar in der inzwischen von Deutschen besetzten Niederlande verhaftet und über das Durchgangslager Westerbork, das KZ Bergen-Belsen nach Theresienstadt deportiert, wo es 1944 von Deutschen ermordet wurde. Jan Rosenbaum, der Enkel des Kantors, hat in seinem Buch "Ausgerechnet bei diesem Wetter, Erinnerung mit Traurigkeit beladen" die Geschichte seiner Familie und die enormen psychischen Belastungen der Kinder von Überlebenden der Shoah am eigenen Beispiel auf sehr persönliche Weise beschrieben.

Bismarckturm

Südöstlich vom jüdischen Friedhof sind die Reste des einstigen Bismarckturms erhalten geblieben, der durch Spenden der Frankfurter Bevölkerung finanziert und 1901 eingeweiht wurde. Errichtet wurde der Turm zu Ehren des ersten deutschen Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck nach dem Entwurf „Götterdämmerung“ von Wilhelm Kreis. Der Turm diente nicht als Aussichtsturm, sondern als Feuersäule. Dazu war auf dem Turm eine Feuerschale aus Kesselblech eingemauert. Deutsche Soldaten sprengten ihn – genau wie den Kleistturm – auf ihrem Rückzug im Frühjahr 1945 in die Luft.

Das Stadion, der Park mit den Überresten des Kleistturms, der jüdische Friedhof und der Trümmer des Bismarckturms liegen in der nähe des „Polenmarkts“ in ul. Sportowa, wo es sehr gute Parkmöglichkeiten gibt. (fh)

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Touristeninformation

Tourismusverein Frankfurt (Oder) e. V.
Große Oderstraße 29
15230 Frankfurt (Oder)
Tel.: +49 335 61008011
E-Mail: info@tourismus-ffo.de
Internet: www.frankfurt-slubice.eu

Anmerkung:

Słubice unterhält keine eigene Touristeninformation. Es empfliehlt sich deshalb die Touristeninformation in Frankfurt (Oder) aufzusuchen, die verschiedene Heftchen mit Empfehlungen für Spaziergänge durch Frankfurt und Słubice im Angebot hat.


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