Popielno (Popiellnen, Spirding) in Masuren, Polen
Seit den 1950er Jahren beschäftigt sich in Popielno eine Forschungsstation der polnischen Akademie der Wissenschaften mit der Rückzüchtung der Tarpanpferde. Die Forschungsstation befindet sich unmittelbar neben dem masurischen Dorf, in dem es auch eine kleine Marina mit einer Gaststätte gibt.

Für die ca. 20 km lange Strecke von Jakubowo nach Popielno zeigt das Navi eine Fahrtzeit von 1,5 Stunden an. „Das kann nicht sein", denke ich. Doch – es kann sein. Selten erlauben die Schottern- und Wirtschaftswege, auf denen sich unser Auto durch den dichten Forst des Masurischen Naturparks zwischen Mikołajki und Ruciane Nida tapfer vorwärts kämpft, ein Fortkommen von mehr als 20 Kilometer pro Stunde. Zumindest spenden die hohen, breiten Baumkronen einen angenehmen Schatten und schützen uns vor den sengenden Sommerhitze draußen, die wir – als sich der Wald zu lichten beginnt und wir endlich den lang ersehnten Anleger für die kleine Autofähre, die uns auf das andere Ufer des Beldahnsees bringen soll, erreichen, mit voller Wucht zu spüren bekommen. Die gemütliche Überfahrt mit der Fähre, auf die gerade mal drei Autos passen, ist jedoch ein Erlebnis. Der Fährmann hält beim Kassieren der Gebühr mit jedem der Passagiere ein kurzes Schwätzchen, freut sich über das schöne Wetter, die weißen Segel der vielen Jachten, die an uns gemächlich vorbeiziehen, und erlaubt uns sogar einen Blick in den schon beinahe antiken Maschinenraum. Auch der Beruf des Fährmanns kann eine Berufung sein.
Nach ca. zehn Minuten legen wir in dem kleinen Seglerparadies Wiersba (Wierzba) an und folgen noch 1,5 km einer holprigen Straße Richtung Osten, bis wir schließlich unser Ziel, den Weiler Popielno (ehem. Popiellnen) erreichen. Eine schmale Allee führt uns direkt zur Forschungsstation der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Instytut Rozrodu Zwierząt i Badań Żywności Polskiej Akademi Nauk). In diesem historischen Gestüt wird ein Experiment fortgesetzt, das 1936 von dem polnischen Biologen und Zoologen Professor Tadeusz Vetulani begonnen wurde: die Rückzüchtung des Tarpanpferdes, eines Anfang des 19. Jahrhunderts ausgestorbenen europäischen Wildpferdes. Nachfahren der Tarpane fand Vetulani bei ostpolnischen Bauern. Er kaufte ihnen 15 Stuten und 4 Hengste ab. Die kleinen, robusten Tarpane kamen mit den kargen Bedingungen und der extremen Witterung in Russland, Litauen und Ostpolen, bestens zurecht. Sie benötigten weder Kraftfutter noch Stallungen und waren für die Bauern daher ideale Arbeitspferde. Vetulani ließ die erworbenen Tarpanachfahren im Waldreservat von Białowieża ansiedeln. Diese 19 Pferdchen bilden im Wesentlichen die Basis der heutigen Zucht der „Polnischen Koniks", wie die gezüchtete Rasse heißt. Während des Zweiten Weltkriegs gingen fast alle Aufzeichnungen zur Abstammung verloren. Die deutschen Besatzer waren an der Zucht der Koniks sehr interessiert und haben viele wertvolle Tiere nach Norddeutschland verschleppt. Nach Kriegsende schickten die britischen Besatzer die Pferde wieder nach Polen zurück, sodass die Zucht weitergeführt werden konnte.
Nach dem Tod Professor Vetulanis im Jahr 1952 wurden die Tiere 1955 an einen neuen Standort, in das ehemalige Gut Popielno am Spirdingsee, verlegt. Seitdem werden die Koniks in zwei Formen weitergezüchtet: in freier Wildbahn in einem nahgelegenen Waldreservat und in Stallungen der Forschungsstation. Zumindest die wuscheligen, geselligen kleinen Koniks, die man auf dem Gelände der Forschungsstation besichtigen kann, machen alles andere als einen „wilden" Eindruck. Sobald man sich der Weide nähert, kommen sie voller Neugier angelaufen, schütteln die Mähnen, schieben die Köpfe zum Streicheln über den Zaun und schnüffeln mit den Nüstern in der Hoffnung, die Menschen hätten eine leckeres Möhrchen dabei. Zum Leidwesen der Besucher jedoch und zum Wohl der Tiere ist das Füttern nicht erlaubt.
Informationen für Besucher
Die Forschungsstation unterhält ein Gästehaus und ein kleines Museum, das 2019 wegen Umbau leider geschlossen war. Es werden Kutschfahrten und Reitstunden angeboten. Das Gelände und die Stallungen sind frei zugänglich, die Mitarbeiter sehr freundlich und helfen mit Informationen weiter. Keine fünf Minuten vom Gestüt entfernt befindet sich eine Mini-Marina und eine im hohen Schilf versteckte Badestelle. Wir nutzten die Gelegenheit für eine Abkühlung in den erfrischenden Fluten des Spirdingsees. (fh)
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Rudczanny (Ruciane-Nida), Polen01.04.2023 – 06:30 Uhr
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