Landsberg i. Ostpreußen (Górowo Iławeckie), Polen – neue Heimat für Griechisch-Katholiken
1947 startete die kommunistische Regierung in Warschau (Warszawa) die "Aktion Weichsel", die sich gegen die ukrainische Minderheit im Südosten der Volksrepublik Polen richtete. 140.000 Menschen mussten ihre Heimat verlassen und wurden mehrheitlich in den ehemaligen deutschen Gebieten im Norden und Westen des Landes angesiedelt. So auch im Landsberg in der Wojewodschaft Ermland-Masuren, das bis 1945 in der deutschen Provinz Ostpreußen lag. Konfessionell gehören die Ukrainer überwiegend der griechisch-katholisch Religionsgemeinschaft an.


Die Kirche des Heiligen Kreuzes im historischen Stadtkern von Landsberg i. Ostpreußen ist ein wuchtiger Bau aus Backstein. Ihre hohen Bogenfenster sind typisch für die gotische Bauweise des Mittelalters. Ein Blick in ihr Inneres überrascht jedoch. Dort, wo sich in anderen Kirchen in Ermland-Masuren ein wuchtiger mittelalterlicher oder ein barocker Altar erhebt, steht eine niedrige, mit Ikonen gefüllte Wand, die sogenannte Ikonostase. Die Kirche ist griechisch-katholisch.
Traditionelle Ikonen wurden mit dunklen Farben gemalt. Diese hier nicht. Die Heiligen tragen hellblaue und leuchtend rote Gewänder vor einem weißen Hintergrund. Nur ihre Gesichter sind dunkel gehalten. Die Ausführung der Malerei besticht durch ihre Einfachheit, kein Schnörkel und keine vergoldeten Dekorationen lenken den Blick ab. Geschaffen hat die Ikonostase der Maler der Moderne Jerzy Nowosielski (1923–2011) zwischen 1983 und 1984. Sein Werk harmoniert mit den kahlen Backsteinwänden und auch mit der üppigen Deckenmalerei. 1655 vernichtete ein Brand das Gotteshaus. Beim Wiederaufbau wurde das steinerne Kreuzgewölbe durch eine flache Holzdecke ersetzt und von einem in Vergessenheit geratenen Künstler mit barocken Ornamenten und biblischen Szenen versehen, deren Mittelpunkt eine Darstellung des "Jüngsten Gerichts" ist.
Die Besonderheit der griechisch-katholischen Kirche ist deren Liturgie. In der "Union von Brest", einem Vertrag, der 1596 geschlossen wurde, erkannte die orthodoxe Kirche auf dem Gebiet der polnischen Adelsrepublik den Papst als ihr Kirchenoberhaupt an, konnte als Gegenleistung aber ihre Liturgie und den Julianischen Kalender beibehalten. Seit dem Vertragsabschluss trägt die Kirche auch den Namen "Unierte Kirche".
In der Zeit der Zweiten Polnischen Republik (11. November 1920 bis 1945) gehörte die heutige Westukraine mit Lemberg (ukrainisch Lwiw, polnisch Lwów) zum polnischen Staatsgebiet. Organisatorisch war die griechisch-katholische Kirche in die drei Diözesen Lemberg, Przemyśl und Stanisławów unterteilt. In dieser Zeit gab es Konflikte zwischen Polen und Ukrainern, die einen unabhängigen ukrainischen Staat anstrebten. Die Auseinandersetzungen wurden äußerst brutal geführt. Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) ermordete die Ukrainische Aufständische Armee, kurz UPA, zehntausende Polen in Wolhynien und vertrieb weitere über 400.000, so die Schätzung. Die Ereignisse von damals belasten noch heute das Verhältnis zwischen der Ukraine und Polen.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges beschlossen die Siegermächte, das polnische Staatsgebiet nach Westen zu verschieben. Damit gelangte die heutige Westukraine mit Lemberg in den Herrschaftsbereich der damaligen Sowjetunion. Ein Teil der Griechisch-Katholiken lebte aber immer noch auf polnischem Staatsgebiet, im Südwesten, wo ukrainische Nationalisten nach 1945 einen Partisanenkrieg führten. Um deren Widerstand zu brechen, vertrieb die polnische Regierung 1947 die ukrainische Bevölkerung und siedelte sie in den ehemaligen deutschen Gebieten im Norden und Westen des Landes an. Es sollen 140.000 Menschen gewesen sein, von denen ein Teil in der Stadt Landsberg in der ehemaligen Provinz Ostpreußen eine neue Heimat fanden, aus der wiederum die deutsche Bevölkerung geflohen oder vertrieben worden war.
Mit der "Aktion Weichsel" (Akcja Wisła ), wie die Zwangsumsiedlung hieß, zerstörte die polnische Regierung die Kirchenstrukturen der Griechisch-Katholiken und mit ihnen eine ganze Kultur. Viele Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Wer heute durch die Waldkarpaten im Südosten Polens wandert, findet noch hie und da Überreste von ukrainischen Holzkirchen und -häusern.

Landsberg ist eine Gründung des Deutschen Ordens, die 1335 das Stadtrecht erhielt. Im 15. Jahrhundert schloss sich die Stadt dem Preußischen Bund an, der gegen den Deutschen Orden opponierte und sich 1454 dem polnischen König unterstellte. Der Streit, der im Dreizehnjährigen Krieg ausgefochten wurde, endete mit der Unterzeichnung des Zweiten Thorner Friedens 1466, durch den der Deutsche Orden die Herrschaft über einen Teil seines Herrschaftsgebietes verlor. Pommern, Marienburg, das Ermland und das Kulmer Land gelangten als "Ständestaat Preußen Königlichen Anteils" unter die Herrschaft der polnischen Krone. Landsberg, das nördlich des Ermlandes liegt, verblieb im Ordensstaat.
Einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte die Stadt mit dem Ausbau einer modernen Infrastruktur: 1898 erhielt sie einen Bahnanschluss, und 1908 errichtete die Firma Karl Frandes aus Bremen ein Gaswerk, das erst 1992 stillgelegt wurde und heute ein Museum beherbergt und besichtigt werden kann.
Obwohl Landsberg zu Beginn des Ersten Weltkrieges (1914–1918) und am Ende des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) Kampfgebiet war, hat ein Teil der historischen Altstadt die Kriege unversehrt überstanden oder wurde wieder aufgebaut. Zu den erhalten gebliebenen Gebäuden gehört das ursprünglich gotische Rathaus, das in der Mitte des Marktes steht.
Das eher unscheinbare Prarrhaus der Kirche des Heiligen Kreuzes kann mit einer interessanten Geschichte aufwarten. Während der napoleonischen Kriege eroberten die Franzosen 1807 die Stadt. Am 17. Februar 1807 quartierte sich der französische Kaiser Napoleon I., der besser als Napoleon Bonaparte bekannt ist, für eine Nacht im Pfarrhaus ein. Eine kleine Gedenktafel an der Hauswand mit polnischer und französischer Inschrift erinnert an dieses Ereignis. (fh)
Sehenswürdigkeiten in Landsberg (Górowo Iławeckie)
- Kirche des Heiligen Kreuzes: griechisch-orthodox, 1365 als katholische Kirche geweiht und nach der Sekularisierung des Ordensstaates 1525 in eine evangelische Kirche umgewandelt, 1655 durch einen Brand zerstört und anschließend wieder aufgebaut, 1807 Gefängnis für russische Soldaten, seit dem 9. Dezember 1981 griechisch-katholisch
Adresse: Księdza Mirosława Ripeckiego 1
Geodaten: 54.284146, 20.492869 - Katholische Kirche St. Agatha: (heute Kirche zum „Heiligen Herzen Jesu“, Parafia rzymskokatolicka Najświętszego Serca Pana Jezusa, neogotisch, zwischen 1892–1895 errichtet, von Beginn an katholisch, Ausstattung: neogotische Kanzel und neogotischer Hauptaltar, Taufbecken aus dem 14. Jahrhundert
Adresse: Kardynała Wyszyńskiego 2
Geodaten: 54.286815, 20.490513 - Rathaus aus dem 15. Jahrhundert: in den folgenden Jahrhunderten mehrmals um- und wiederaufgebaut, zwischen 1840 und 1846 Neubau auf den mittelalterlichen Grundmauern
Adresse: plac Ratuszowy 18
Geodaten: 54.284895, 20.493604 - Gaswerk: 1908 Inbetriebnahme, 1945 stark zerstört, ab 1964 lieferte es wieder Gas, 1992 stillgelegt und seit 1994 Museum
Adresse: Kardynała Wyszyńskiego 20
Geodaten: 54.285574, 20.487208 - Wasserturm, aus der Zeit um 1900
Adresse: Kardynała Wyszyńskiego 20
Geodaten: 54.285994, 20.486859
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Landsberg i. Ostpreußen (Górowo Iławeckie), Polen23.05.2022 – 09:57 Uhr
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